Hallo alle,

aktuell sitzen wir in Berlin, um an der re:publica Konferenz teilzunehmen. Seit vielen Jahren ein Fixpunkt im Kalender. Eine dreitägige Auseinandersetzung mit allen Themen rund um die digitale Gesellschaft. Und gleichzeitig eine Klassenfahrt mit großartigen Internetmenschen.

Wir hören viel. Reden viel. Diskutieren viel. Es entstehen Impulse, die später in Blogbeiträgen geordnet werden. So auch jetzt.

Schon eine Zeit lang möchten wir diesen Beitrag schreiben. Es geht um den Umgang mit sexistischen Erlebnissen mit (potenziellen) KundInnen und beruflichen Bekanntschaften. Dieses Thema ist für uns als junges Zwei-Frau-Unternehmen genau so allgegenwärtig wie heikel. Das Bedürfnis und die Verpflichtung, darüber zu schreiben und aktiv zu werden steht im krassen Gegensatz zu allen wirtschaftlichen Überlegungen.

Das Aufzeigen von problematischen Verhaltensweisen und das aktive Wehren dagegen führt eventuell dazu, dass wir Aufträge verlieren und sich potenzielle KundInnen abwenden. Ihr kennt das. Es ist die Realität. Wir befinden uns in einer starken wirtschaftlichen Abhängigkeit. Und deshalb können wir nicht in derselben Art und Weise agieren, als wenn es sich um Personen aus einem Umfeld handelt, das nicht über Erfolg oder Misserfolg unseres noch jungen Unternehmens entscheidet. Einkommen. Lebensgrundlage.

Was wir grundsätzlich als schwierig empfinden, ist ein ausschließlich extremer Zugang zu diesem Thema. Menschen reagieren genervt, aggressiv, augenrollend und abweisend, wenn man auf problematische Aussagen hinweist. Man ist entweder dafür oder dagegen. Allein ein zarter Hinweis führt schon zu einem „Jaja passt schon“. Eine weitere Thematisierung auf rein sachlicher Ebene ist so gut wie unmöglich. Besonders nicht im beruflichen Umfeld, wenn sechs männliche Kollegen desjenigen drumherum sitzen und ebenfalls schon genervt den Blick zur Decke wenden, begleitet mit einem „Was will die denn jetzt?“-Blick.

Eine weitere Beobachtung ist, dass es oft mehrere Ebenen in der Bewertung gibt. Je nachdem ist dann eine Aussage mehr oder weniger dramatisch. Wird privat / persönlich / intern /  öffentlich / beruflich / profesionell kommuniziert?

Und auf diesen Ebenen werden dann auch sexistische Andeutungen eingeteilt. Soll heißen, dass die Person sehr gut weiß, dass man diese Aussage auf kein Plakat schreiben kann. Sprechen wir nun die Äußerung an, heißt es schnell „Weiß ich eh, dann gibt es wieder einen Shitstorm.“ und damit ist die Diskussion über die Problembehaftung der Aussage schnell beendet. Denn die Person hat mehr oder weniger zugegeben, sich sexistisch geäußert zu haben, aber „solange man das nicht auf die Website schreibt“, ist es ja nicht so tragisch. Besprechungen, Arbeitsmeetings und Workshops werden zwar beruflich, aber nicht öffentlich geführt. Daher „wird man ja wohl noch mal einen Scherz machen dürfen“. Wer hier kritisiert, bekommt oft das Gefühl, jemandem das persönliche Kommunikationsverhalten vorschreiben zu wollen und dazu bin ich als Dienstleisterin nicht in der Position. Was auf die Website kommt, darf ich beurteilen. Was im Meeting geäußert wird, nicht.

Es geht uns an dieser Stelle übrigens nicht darum, zu diskutieren, ob es sich dabei um problematisches Verhalten handelt.
Es geht uns an dieser Stelle übrigens nicht darum, zu diskutieren, ob man es nicht einfach aushalten kann,
Es geht uns an dieser Stelle übrigens nicht darum, zu diskutieren, ob AuftraggeberInnen tatsächlich Aufträge zurückziehen, wenn man sich aktiv gegen Alltagssexismus wehrt.

Aus diesen und anderen Gründen (hallo wirtschaftliche Interessen) werden wir keine konkreten Vorfälle schildern. Es geht dann immer nur um die Bewertung dieses Verhaltens und wir wollen an dieser Stelle Problemlösungsstrategien sammeln.

Dieser Blogbeitrag ist ein erster Schritt in eine Richtung, die heißt „Uns passiert da ständig etwas.“, „Das ist nicht angenehm.“ und vor allem „Wie sollen wir uns verhalten?“. Damit wenden wir uns an euch und hoffen, ihr habt sinnvolle Tipps und Hilfestellungen. Denn bislang haben wir es hingenommen und uns im Nachhinein sehr geärgert. Gleichzeitig soll bei uns eine Souveränität im Verhalten entstehen, die mit unseren wirtschaftlichen Interessen zu vereinbaren ist. Menschen, die uns nicht zugestehen, diese wirtschaftlichen Interessen zu berücksichtigen, sprechen wir in diesem Blogbeitrag nicht an.

Zu guter letzt kämpft man natürlich immer mit den üblichen Zuschreibungen. „Die sind spaßbefreit. Die sind kompliziert. Die machen ein Theater. Die mischen sich in Dinge ein, die sie nicht angehen.“ Aber diese halten wir aus. Lasst uns drüber reden.

Kennt ihr das?
Und vor allem: Wie geht ihr damit um? Sagt ihr etwas? Wenn ja, was?
Ist es euch schon einmal passiert, dass KundInnen abgesprungen und Projekte abgesagt wurden, nachdem ihr Kritik zu unpassenden Aussagen und Verhaltensweisen geäußert habt?